Im Hirn der Mitarbeiter: Neuroleadership wird immer wichtiger – Chefs sollten sich in den Köpfen ihres Teams gut auskennen

- Die spektakulären Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften möchte natürlich auch die Wirtschaft nutzen.
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In den letzten zehn Jahren hat die Gehirnforschung einen gewaltigen Sprung nach vorn geschafft. Der Grund dafür: hochentwickelte technische Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT). In Echtzeit können die Verarbeitungsprozesse und Reaktionen unseres Gehirns nach äußeren Einflüssen dargestellt werden. Die Wissenschaftler verstehen die komplexen Abläufe in unserem Denken und Handeln viel besser.
Die spektakulären Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften möchte natürlich auch die Wirtschaft nutzen. Die daraus entstandene, noch sehr junge Disziplin mit dem Namen „Neuroleadership“ umschreibt den Versuch, die Ökonomie stärker am Menschen auszurichten und nicht umgekehrt. Das Hauptziel besteht darin, das Führungsverhalten und den gesamten Umgang der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern menschengerechter auszurichten. Neuroleadership – übersetzt „gehirngerechtes Führen“ – beschäftigt sich im Wesentlichen mit zwei Hauptthemen.
Thema 1:
Neurostress
Gemeint ist, wenn Arbeitnehmer durch Stress krank werden. Mittlerweile weiß man sehr genau, dass Dauerstress biochemische Veränderungen im Gehirn auslöst, die für nachfolgende psychische und physische Folgeerkrankungen verantwortlich sind. Die europäische Arbeitsschutzagentur zum Beispiel nimmt an, dass etwa 60 Prozent aller krankheitsbedingten Ausfallzeiten ihre Ursachen im beruflichen Stress haben. Stress verändert unseren biochemischen Cocktail und bewirkt hormonelle Veränderungen in unserem Körper.
Für Depressionen sollen nach Angaben der Wissenschaftler genetische Veranlagungen im Menschen existieren, die unter normalen Belastungsbedingungen inaktiv sind. Im Dauerstress jedoch gerät unser Hormonhaushalt durcheinander und aktiviert diese Gene. Die Wahrscheinlichkeit der Herausbildung einer Depression oder anderen psychischen Erkrankung in der Folgezeit wird dadurch sehr hoch. Selbst Übergewicht, nachfolgend Diabetes zwei und koronare Herzerkrankungen können eine Folge dieser Dauerstressproblematik sein.
Schneller, höher, weiter? Auf Dauer kann die ständige Erhöhung der Arbeitsintensität und Belastung der Menschen nicht fortgesetzt werden. Die Evolution setzt Grenzen und meines Erachtens haben wir diese in vielen Bereichen schon erreicht.
Thema 2: Grundbedürfnisse
Kenne die Grundbedürfnisse der Menschen und berücksichtige diese in der Führungsarbeit. Vier psychologische Grundbedürfnisse – Bindung, Eigenständigkeit, Selbstwert und Lust – sind für eine zufriedene und erfolgreiche Arbeit der Menschen im Beruf verantwortlich. Wenn eines oder mehrere dieser Grundbedürfnisse durch einen falschen Führungsstil oder ein schlechtes betriebliches Klima unbefriedigt bleiben, dann hat das nachhaltige Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter.
Mit Bindung ist zum Beispiel der Wunsch gemeint, soziale Beziehungen zum Team, den Kollegen und dem Vorgesetzten zu entwickeln. Nur im Gefühl „dazuzugehören“ können wir dauerhaft gute Arbeit leisten.
Eigenständigkeit umschreibt den Wunsch der Mitarbeiter nach Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit, des eigenen Könnens und Wissens und die Möglichkeit, auch Verantwortung zu übernehmen.
Lob und Kritik durch Kollegen und Vorgesetzte sind der Spiegel der eigenen Arbeit. Wir brauchen das positive Feedback für unser Selbstwert-Gefühl. Wer auf Dauer nicht stolz auf seine eigenen Leistungen ist oder sein kann, wird krank.
Wenn Vorgesetzte ihre Mitarbeiter mit ihren Stärken und Schwächen gut kennen, dann können sie diese vorwiegend mit Aufgaben betrauen, welche die Lust fördern und die Freude an der Arbeit betonen. Unlust hingegen ist kontraproduktiv und führt auf Dauer auch zu den biochemischen Veränderungen, die die Arbeitnehmer krank machen.
Wenn sich Unternehmen über hohe Krankenstände beklagen, ist es wahrscheinlich an der Zeit, auch einmal den gesamten Führungsstil und das Vorgesetztenverhalten kritisch zu hinterfragen.
Wozu braucht man ein Gehirn und wie arbeiten Psyche und Körper zusammen? Die Gehirnforschung liefert uns dazu täglich neue Erkenntnisse. Doch wie findet sich der interessierte Laie in diesem reichen Informationsangebot zurecht? Hirnforscher Prof. Gerald Hüther spricht darüber:
Autor:Matthias S. Freund aus Erfurt |
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